1796 - 1835
Entschuldigungen
wirst du kaum bedürfen,
Wenn
du mich liebst; es kann dich nicht erniedern:
Verlieren
würden in der Gunst der Biedern,
Die
meine Gunst mir vor die Füße würfen.
Ich
würde viele Freunde zählen dürfen,
Wenn
ich die Freundschaft aller könnt erwidern,
Auch
der Entfernten, welche bloß aus Liedern
Die
ganze Flamme meiner Seele schlürfen.
Ein
warmes Herz, und wenn auch du mit herben,
Gehässigen
Geschossen nach ihm zielest,
Muß
doch sich manchen warmen Freund erwerben!
Du
aber, der du jetzt den Harten spielest,
Laß
einst mich nur an deinem Busen sterben,
Und
schließ ein Auge, dem du wohlgefielest!
1796 - 1835
Glaub
mir, noch denk ich jener Stunden stündlich,
Wo
ich zum erstenmale dir das zarte
Geheimnis
deines Sieges offenbarte,
Im
Liede kühn, allein verlegen mündlich.
Dein
jetz'ger Wille scheint mir unergründlich:
Weil
jene Schüchternheit sie nicht bewahrte,
Hör
ich dich klagen, unsre Lieb entarte,
Und
ihr Verlangen nennst du keck und sündlich.
O
daß die Blume nicht umsonst verdüfte,
Laß
Wang an Wange hier uns ruhn im Düstern,
Und
Brust an Brust gedrängt und Hüft an Hüfte.
Horch!
wie es säuselt in den alten Rüstern!
Durchschwärmt
vielleicht ein Elfenchor die Lüfte,
Wollüstig
weichen Brautgesang zu flüstern?
1796 - 1835
Ich
liebe dich, wie jener Formen eine,
Die
hier in Bildern uns Venedig zeiget:
Wie
sehr das Herz sich auch nach ihnen neiget,
Wir
ziehn davon, und wir besitzen keine.
Wohl
bist du gleich dem schöngeformten Steine,
Der
aber nie dem Piedestal entsteiget,
Der
selbst Pygmalions Begierden schweiget,
Doch
sei's darum, ich bleibe stets der Deine.
Dich
aber hat Venedig auferzogen,
Du
bleibst zurück in diesem Himmelreiche,
Von
allen Engeln Gian Bellins umflogen:
Ich
fühle mich, indem ich weiter schleiche,
Um
eine Welt von Herrlichkeit betrogen,
Die
ich den Träumen einer Nacht vergleiche.
1796 - 1835
Man
schilt mich stolz, doch hat mich's nie verdrossen,
Daß
ich so wenig dir gefallen habe;
Denn
deine blonde Jugend, süßer Knabe,
Verschmäht
den melancholischen Genossen.
So
will in Scherz ich mich ergehn, in Possen,
Anstatt
ich jetzt mich bloß an Tränen labe,
Und
um der Fröhlichkeit mir fremde Gabe
Hab
ich den Himmel anzuflehn beschlossen.
Zwar
dank ich viel dem wohlgelaunten Glücke,
Von
dem ich mehr, als ich verdient, empfangen,
Doch
nichts, wodurch ich meinen Freund entzücke:
Wer
aber gäbe mir die vollen Wangen
Der
ersten Jugend und den Glanz zurücke,
Woran
allein der Menschen Blicke hangen?
1796 - 1835
Nicht
aus Begier und aus Genuß gewoben
War
unsre Liebe, nicht in Staub versunken:
Nur
deiner Schönheit bebt ich wonnetrunken,
Und
gütig warst du, gleich den Engeln oben.
Du
hattest mich zu dir emporgehoben,
In
deinem Auge schwamm ein lichter Funken,
Der
Farben schuf, den Pinsel drein zu tunken,
Den
reine Dichterhände Gott geloben.
Nun,
da ich fern von dir den Tag verbringe,
Erscheinst
du der Bewunderung noch reiner,
Je
mehr im Geist ich deinen Wert durchdringe.
Ja,
immer sehnsuchtsvoller denk ich deiner,
Und
legt die Welt mir auch so manche Schlinge,
Du
sollst mich nie gefangen sehn in einer.
August
von Platen (1796-1835)
1796 - 1835
Nun
hab ich diesen Taumel überwunden,
Und
irre nicht mehr hier und dort ins Weite,
Mein
Geist gewann ein sicheres Geleite,
Seitdem
er endlich einen Freund gefunden.
Dir
nun, o Freund, gehören meine Stunden,
Du
gabst ein Ziel mir nun, wonach ich schreite,
Nach
dieser eil ich oder jener Seite,
Wo
ich, dich anzutreffen, kann erkunden.
Du
winkst mir zu von manchem Weihaltare,
Dein
Geist ist ein harmonisches Bestreben,
Und
deine sanfte Seele liebt das Wahre.
O
welch ein Glück, sich ganz dir hinzugeben,
Und,
wenn es möglich wäre, Jahr um Jahre
Mit
deinen Engeln, Gian Bellin, zu leben!
1796 - 1835
O
süßer Lenz, beflügle deine Schritte,
Komm
früher diesmal, als du pflegst zu kommen!
Du
bist ein Arzt, wenn unsre Brust beklommen,
Ein
milder Arzt von immer sanfter Sitte!
O
könnt ich schon in deiner Blumen Mitte,
Wann
kaum der Tag am Horizont entglommen,
Bis
er ins Abendrot zuletzt verschwommen,
Von
Tränen leben, ohne Wunsch und Bitte!
Wann
deine helle Sonne flammt im Blauen,
Würd
ich, ins Gras gestreckt, nach oben blicken,
Und
würde glauben meinen Freund zu schauen!
Geblendet
würde dann mein Auge nicken,
Ich
würde schlummern, bis die Sterne tauen,
Und
mich im Schlaf an seinem Bild erquicken!
1796 - 1835
Qualvolle
Stunden hast du mir bereitet,
Die
aber nie an dir der Himmel räche,
Sonst
müßten fließen deine Tränenbäche,
Wenn
von der Lippe dir mein Name gleitet.
Doch
bis Gewißheit jeden Wahn bestreitet,
Will
gern ich dich, und tät ich es aus Schwäche,
Verteid'gen,
Freund! von auf der Oberfläche
Geschöpften
Zufallsgründen nie verleitet.
Zwar
würd ich kaum dir zum Verteid'ger taugen,
Doch
stets bedienst du dich als deiner beiden
Fürsprecher
listig meiner beiden Augen:
So
lang sie sich an deinem Blicke weiden,
So
müssen Liebe sie aus ihm sich saugen,
Du
aber lies in ihrem Blick mein Leiden!
1796 - 1835
Schön
wie der Tag und lieblich wie der Morgen,
Mit
edler Stirn, mit Augen voll von Treue,
An
Jahren jung und reizend wie das Neue,
So
fand ich dich, so fand ich meine Sorgen.
O
wär ich schon an deiner Brust geborgen,
Wo
ich mich sammle, wenn ich mich zerstreue!
O
wäre schon bezwungen diese Scheue,
Die
unsern Bund vertagt von heut auf morgen!
Was
fliehst du mich? Vermagst du mich zu hassen?
Was
quälst du so durch deiner Huld Verschweigung
Den
Liebevollen, der sich fühlt verlassen?
Beim
ersten Zeichen deiner künft'gen Neigung
Wird
eine bange Wonne mich erfassen,
Wie
einen Fürsten bei der Thronbesteigung.
1796 - 1835
Um
meinen Schmerz im Stillen zu verwinden,
Such
ich nach günst'gem Ort und günst'ger Stunde;
Doch
schwebt dein Bild mir stets im Hintergrunde,
Indes
die nähern Dinge schnell verschwinden.
Geselligkeit
vermag mich nicht zu binden,
Und
Einsamkeit ertragen bloß Gesunde:
Denk
ich, so schärft des Denkens Pfeil die Wunde,
Und
schweif ich müßig, klag ich es den Winden.
Und
soll ich je von dieser Pein genesen,
So
werde mir, so zeige dich gewogen,
Denn
du nur fehlst dem Herzen, teures Wesen!
Ich
liebte manchen Freund und ward betrogen;
Doch
mag die Welt in diesen Blättern lesen,
Daß
ich dich allen Andern vorgezogen.
1796 - 1835
Wann
werd ich dieses Bangen überwinden,
Das
mich befällt in deiner lieben Nähe?
Wohin
ich geh und mit den Blicken spähe,
Da
hoff ich dich und fürchte dich zu finden.
Wie
kann ich Furcht vor dir, o Freund, empfinden,
Den
ich so gern an meinem Busen sähe?
Erkläre
du mir, was so schnell und jähe
Das
Blut mir hemmt, den Geist vermag zu binden?
Ist
es die Sorge, daß dein Herz mir schweiget,
Daß
ich an Klippen deines Stolzes strande,
Der
als der Liebe größter Feind sich zeiget?
Ist
es die Göttlichkeit so süßer Bande,
Da
stets die Liebe, wie vor Gott, sich neiget
Mit
heil'ger Furcht vor ihrem Gegenstande?
1796 - 1835
Was
kann die Welt für unser Glück empfinden,
Die
kalte Welt mit ihrem falschen Treiben?
Kann
sie es fesseln oder es vertreiben?
Kann
sie uns trennen oder uns verbinden?
Wir
sehn die Dinge rings um uns verschwinden,
Als
Dinge, die die Liebe nur umschreiben;
Verborgen
muß die wahre Liebe bleiben,
Kein
Dritter darf zu dir und mir sich finden.
Sie,
die uns wandeln sehn im bunten Schwarme,
Nicht
ahnen sollen sie, daß in der Stille
Wir
uns verzehren im verliebten Harme.
Vergessen
will ich jede fremde Grille,
Wenn
dich umschlingen meine frohen Arme,
Und
dir allein beugt sich mein Eigenwille.
1796 - 1835
Was
will ich mehr, als flüchtig dich erblicken?
Was
wär ich, trüg ich heißeres Verlangen?
In
welche Netze würd ich, wenn ich hangen
An
deinem Auge bliebe, mich verstricken!
Was
will ich mehr noch, als ein eilig Nicken?
Es
würden deine Worte mich befangen:
Vom
Schützen wird ein Vogel rasch umgangen,
Wenn
mehr er will, als an der Kirsche picken.
Wohl
mögen Reize, die so ganz dein eigen,
Den
Wunsch der Sehnsucht in den Andern wecken
Sich
dir zu nahn und dir ein Herz zu zeigen.
Ich
werde nur, wenn jene sich entdecken,
Vor
deiner Schönheit huldigend mich neigen,
Nicht
Eine Silbe soll dein Ohr erschrecken!
1796 - 1835
Weil
da, wo Schönheit waltet, Liebe waltet,
So
dürfte Keiner sich verwundert zeigen,
Wenn
ich nicht ganz vermöchte zu verschweigen,
Wie
deine Liebe mir die Seele spaltet.
Ich
weiß, daß nie mir dies Gefühl veraltet,
Denn
mit Venedig wird sich's eng verzweigen:
Stets
wird ein Seufzer meiner Brust entsteigen
Nach
einem Lenz, der sich nur halb entfaltet.
Wie
soll der Fremdling eine Gunst dir danken,
Selbst
wenn dein Herz ihn zu beglücken dächte,
Begegnend
ihm in zärtlichen Gedanken?
Kein
Mittel giebt's, das mich dir näher brächte,
Und
einsam siehst du meine Tritte wanken
Den
Markus auf und nieder alle Nächte.
1796 - 1835
Wenn
auch getrennt die Körper sind, zu dringen
Vermag
zum Geist der Geist, indem er denket;
Wenn
meine Seele sich in dich versenket,
So
mein ich, müßt es dir im Ohre klingen.
Besäße
nicht der Gott der Liebe Schwingen,
Er
hätte nie zum Himmel sie gelenket,
Und
wenn dein Herz er mir im Traume schenket,
Von
wem als dir vermag er mir's zu bringen?
Wenn
du mich liebst, so will ich gern ertragen,
Dir
fern zu sein, weil ich zu gut verstehe,
Was
unsre Seelen ohne Laut sich klagen.
Allein
so lang ich noch in Zweifel stehe,
Und
gerne möchte deine Blicke fragen,
Acht
ich Entfernung als das größte Wehe.
1796 - 1835
Wenn
einen Freund du suchst fürs ganze Leben,
Der
dich durch Freude soll und Schmerz geleiten,
So
wähle mich, du findest keinen zweiten,
Und
keinen fähigern, sich hinzugeben.
Zwar
kann er nicht, wie du, ein Wonnebeben
Durch
seine Schönheit um sich her verbreiten;
Doch
alle horchen gern den Lieblichkeiten,
Die
ihm begeistert auf der Lippe schweben.
Ich
fürchte nur, es möchte dich erbittern,
Wenn
ich mir selbst so hohes Lob verstatte,
Bloß
um vor dir in falschem Glanz zu flittern;
Sonst
würd ich sagen, daß auf diese glatte,
Noch
junge Stirn, mit ungewissem Zittern,
Der
Schatten fällt von einem Lorbeerblatte.
1796 - 1835
Wenn
ich so viele Kälte dir verzeihe,
Geschieht's,
indem ich bei mir selber sage:
Er
weiß ja nicht, wie sehr ich meiner Tage
Zufriedenheit
an seinen Namen reihe!
Er
weiß ja nicht, wie sehr ich ihm verleihe,
Was
Liebevolles ich im Herzen trage,
Was
gerne teilt des Lebens Lust und Plage,
Ja,
was dem Leben giebt die höchste Weihe!
Du
weißt es nicht, und soll ich dir's beschwören?
O
nein! ich wage kaum, mit dir zu sprechen,
Um
nicht den Traum, der mich beglückt, zu stören.
Wie
sehr mich Schönheit auch und Reiz bestechen,
So
fürcht ich doch, sie könnten mich betören,
Es
könnte doch an Liebe dir gebrechen!
1796 - 1835
Wenn
unsre Neider auch sich schlau vereinen,
Um
uns zu hindern und getrennt zu halten,
Noch
zähl ich nicht dich zum Geschlecht der Kalten,
Noch
geht ein Weg von deinem Blick in meinen.
Doch
allzuselten seh ich dich erscheinen,
Und
wenn ich rings das Auge lasse walten,
Vermiß
ich stets die liebste der Gestalten,
Die
liebsten Züge fehlen stets, die deinen!
Ermanne
dich, und lege nicht die Zäume
Der
Liebe furchtsam in die Hand des Neides,
Der
gern uns schiede durch entlegne Räume!
Sei
ganz du selbst, dann wird die Zeit des Leides
Verronnen
sein, dann werden unsre Träume
Verkörpert
werden. Wir verdienen beides.
1796 - 1835
Wer
hätte nie von deiner Macht erfahren?
Wer
hätte je dich anzuschaun bereuet?
Wie
viele Reize liegen hingestreuet
Auf
diesen Wangen, diesen schönen Haaren!
Du
bist so zart, du bist so jung an Jahren,
Durch
jede Huldigung des Glücks erfreuet;
Doch
wer die List in deinem Busen scheuet,
Der
mag vor dir sich Tag und Nacht bewahren!
Noch
prahlt ein Baum mit manchem frischen Aste,
Die
Blätter bilden noch geräum'ge Lauben,
Da
schon Zerstörung wütet unterm Baste.
Doch
soll mir frostige Betrachtung rauben
Den
süßen Schatten, unter dem ich raste?
Nein, deine Schönheit fodert blinden
Glauben!
1796 - 1835
Wie
schwillt das Herz von seligem Genügen,
Sobald
ein Blick, der lange trüb umnachtet,
Verächtlich
uns und blinzelnd nur betrachtet,
Zuletzt
voll Milde ruht auf unsern Zügen!
Wär's
Zufall, oder willst du mich betrügen?
Hast
du vielleicht mich deiner wert erachtet?
Wenn,
Augen, ihr mir nicktet oder lachtet,
Dann
wollt ich stets mich euch als Sklave fügen!
O
gib Gewißheit, wo nur Zweifel waltet,
Laß
länger nicht mich hin und wieder schwanken,
Weil
oft im Zweifel das Gemüt erkaltet!
Nicht
schwer zu helfen ist gewissen Kranken:
Ein
einz'ger Wink, ein Händedruck entfaltet
Uns
Millionen liebende Gedanken.